Der DAX-Titel Bilfinger ist von Juni bis Anfang August kräftig unter die Räder geraten – von rund 85 Euro ging es auf gut 50 Euro bergab. Dafür gab es im Wesentlichen zwei Gründe:
- Das Unternehmen gab gleich zwei Gewinnwarnungen heraus. Es ging los am 30. Juni, mit der Meldung, dass die bisherige Prognose nicht erreicht werden kann. Der Kurs ging auf Tauchstation.
- Als es die zweite Gewinnwarnung gab, nahm der Konzernchef Roland Koch (ehemaliger hessischer Ministerpräsident) seinen Hut. Er wird zwar noch bis 2016 seine Bezüge in voller Höhe erhalten, geht aber vorzeitig. Ein Finanzinvestor soll seinen Rücktritt gefordert haben. Laut Berichten sollen nach der Bekanntgabe seines Rücktritts in einigen Büros Sektkorken geknallt haben.
Das alles klingt eher abstoßend. Der Kurs hat auch rund ein Drittel verloren. Und genau deshalb könnte die Aktie nun aus fundamentaler Sicht interessant sein. Nämlich genau dann, wenn beim Kurs nach unten übertrieben worden ist. Zunächst der Blick auf den Chart:
Kursverlauf Aktie Bilfinger
Der Chart zeigt deutlich, wie der Kurs insbesondere nach der ersten Gewinnwarnung Ende Juni einbrach. Damals gab es ein „Gap“ = Kurslücke, die bis heute nicht geschlossen worden ist. Im Gegenteil – es ging weiter abwärts. [Zum Vergrößern klicken] Quelle: Finanzen100
Nun der Blick auf die Fundamentaldaten:
- Gewinn. Nicht nur für Value Investoren eine zentrale Größe ist der Gewinn, den das Unternehmen erzielt. Natürlich, der Gewinn fiel im ersten Halbjahr 2014 von 68 im Jahr zuvor auf 55 Mio. Euro. Das ist ein Minus von 19% und damit natürlich enttäuschend. Allerdings: Wenn Sie sich das erste und das zweite Quartal getrennt anschauen, sieht das Bild gar nciht mehr so schlecht aus: Im zweiten Quartal lag das Konzernergebnis in beiden Fällen bei +47 Mio. Euro. Mit anderen Worten: Das erste Quartal war sehr schlecht – aber bereits im zweiten Quartal konnte das Gewinn-Niveau des Vorjahres wieder gehalten werden.
- Leistung. Hier sieht es durchaus stabil aus: Die Leistung fiel von 3,637 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2013 auf 3,628 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2014. Von Einbruch also nichts zu sehen.
- Auftragsbestand. Hier gab es ein Minus von 2%, von 6,539 Mrd. Euro Auftragsbestand am 30.6.2013 auf 6,392 Mrd. Euro Auftragsbestand am 30.6.2014.
- Auftragseingänge. Wichtig für die Einschätzung der Aussichten. Die Auftragseingänge blieben im ersten Halbjahr 2014 mit 3,516 Mrd. Euro um 6% unter dem Niveau des Vorjahres.
Diese Zahlen sind durchwachsen bis schlecht, allerdings keineswegs katastrophal. Positiv fiel mir auf, dass sich der wichtige Geschäftsbereich „Industrial“ bei Bilfinger im laufenden Jahr durchaus wacker schlagen soll. Die Prognose des Managements sieht für diesen Bereich eine Leistung von 3,7 Mrd. Euro vor – was nahezu exakt dem Vorjahreswert entsprechen würde. Gleichzeitig soll die Marge (EBITDA) von 5,7 auf 6% erhöht werden. Das halte ich für sehr realistisch. Der Auftragseingang in diesem Jahr jedenfalls spricht dafür, dass dieses Ziel erreicht werden kann: Mit 2,639 Mrd. Euro Auftragseingang in den ersten 6 Monaten im Bereich „Industrial“ ist nahezu der Wert des Vorjahres (2,709 Mrd. Euro) erreicht.
Geschäftsbereich „Industrial“ bietet Puffer für die Sorgenkinder
Dies bietet einen Puffer für die Geschäftsbereiche, in denen es im laufenden Geschäftsjahr eher schlecht laufen wird. Dies wird meiner Prognose zufolge insbesondere der Bereich „Power“ sein, wo es wegen Problemen bei der deutschen Energiewende zumindest im ersten Halbjahr eine spürbare Zurückhaltung bei den Investitionen (= Aufträge für Bilfinger) gab. Für den Bereich „Power“ prognostiziere ich für das Gesamtjahr 2014 einen Rückgang der Leistung um 100-150 Mio. Euro. Wie gesagt: „Industrial“ ist wichtiger, und „Power“ bietet dafür mittel- bis langfristig Potenzial, wenn die Energiewende in Deutschland an Fahrt gewinnen wird.
Bilfinger: Kennzahlen 1. Halbjahr 2014
Die Grafik zeigt die Entwicklung wichtiger Kennzahlen des ersten Halbjahres 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. [Zum Vergrößern klicken] Quelle: Unternehmensangaben
So sieht es beim Gewinn pro Aktie aus:
Im ersten Halbjahr lag der Gewinn pro Aktie bei Bilfinger bei 1,61 Euro. Das bereinigte Konzernergebnis lag bei 71 Mio. Euro. Erfreulicherweise hat das neue Management einen Ausblick auf das Gesamtjahr 2014 gegeben. Darin ist die Rede davon, dass das bereinigte Konzernergebnis im Gesamtjahr bei mindestens 205 Mio. Euro liegen soll. Mittels einfachem Dreisatz lässt sich so errechnen, dass der Gewinn pro Aktie dann im Bereich 4,65 Euro liegen könnte.
Bei einem Unternehmen mit einem so zyklischen Geschäftsfeld (Baugeschäft!) halte ich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von ca. 12 für angemessen. Dies würde auf Basis eines angenommenen Gewinns von 4,65 Euro/Aktie im laufenden Geschäftsjahr einem Kurs von ca. 55,80 Euro entsprechen.
Fairer Wert je Aktie im Bereich 55 Euro
Kurse über dieser Marke sind demnach „zu teuer“. Ein Kurs um 55 Euro ist demnach „fair“ – somit für Käufe aber nicht sonderlich attraktiv. Interessant wird ein Kauf demnach bei Kursen signifikant unter dieser Marke.
Und noch eine Klarstellung: Dies ist meine rein subjektive Einschätzung und keine Aufforderung an Sie, diese Aktie zu kaufen. Betrachten Sie meine Zeilen als Gedankenanstoß, nicht mehr und nicht weniger.
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