Das kennen Sie vielleicht: Einige Aktien hat man seit Jahren (in diesem Fall Jahrzehnten) mehr oder weniger im Blick. Manchmal entfallen diese Unternehmen einige Zeit dem eigenen Blickfeld – doch wenn dann ein Ereignis wie die Veröffentlichung von Quartalszahlen eine solche Aktie wieder in den eigenen Fokus rückt, dann gibt es ein Gefühl der Art „da sieh mal einer an“. Nicht ohne Grund hatte ich mich mit so einem Unternehmen länger beschäftigt – denn es agiert erfolgreich. Genau dies trifft auch auf die Aktie der Gerresheimer AG zu. Konkret:
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Bevor ich mich näher mit den Fundamentaldaten des Unternehmens beschäftige – hier zunächst der Blick auf den Chart der Aktie:
Chart Gerresheimer AG
Der Kurs der Aktie notiert deutlich über dem 200-Tage-Gleitenden-Durchschnitt – und das ist üblicherweise ein bullishes Zeichen. Im Chart kaum erkennbar und deshalb mit einem Pfeil von mir markiert ist der jüngste Kurssprung der Aktie auf rund 67 Euro. Zu den Fundamentaldaten:
Finanzkalender Gerresheimer AG
Die Gerresheimer AG hat ein Geschäftsjahr, das abweichend vom Kalenderjahr bereits am 30. November endet. Damit werden im laufenden Geschäftsjahr der Gerresheimer AG noch zwei Mal Quartalszahlen vermeldet, und zwar als nächstes am 8. Oktober (so ist es geplant). Diese beziehen sich dann auf das Vierteljahr von 1. Juni bis 31. August. Laut Finanzkalender der Gerresheimer AG steht noch nicht fest, wann die Zahlen für das letzte Quartal des Geschäftsjahres veröffentlicht werden sollen (dann geht es um den Zeitraum 1. September bis 30. November.)
Quelle: Finanzkalender Gerresheimer
Die letzten Quartalszahlen gab es jedenfalls am 9. Juli – für den Zeitraum 1. März bis 31. Mai. Und diese Zahlen möchte ich nun besprechen:
Quartalszahlen Gerresheimer AG
Das fiel mir auf der Startseite der Quartalszahlen auf: Ganz schön langes „Quartal“ bei Gerresheimer, von Dezember 2014 bis Mai 2015!
- Der Umsatz stieg um 6,3% auf 356,4 Mio. Euro
- Ein Teil des Umsatzanstiegs kam durch Übernahmen und positive Währungseffekte zustande. Ohne diese hätte der Anstieg bei etwa 1,9% gelegen
- Die Marge verbesserte sich von 19,4% auf satte 20,2%
- Das Konzernergebnis (net income) verbesserte sich von 20,8 auf 22,4 Mio. Euro. Ein Anstieg um 7,4%.
- Die Bilanzsumme wuchs um 4,2% auf 1,7007 Mrd. Euro
- Das Ergebnis je Aktie erreichte 0,65 Euro nach 0,61 Euro im Vorjahresquartal
Besonders wachstumsstark zeigte sich der Bereich „Life Science Research“. Hier wuchs der Umsatz von 21,7 auf 26,3 Mio. Euro – ein Plus von 20,9%. Allerdings gilt es hier, auch auf die Relationen zu achten: Dieser Geschäftsbereich macht deutlich unter 10% des Gesamtumsatzes der Gerresheimer AG aus. Um was es in diesem Segment geht: Laut Firmenangaben produziert der Sektor „Life Science Research“ für – ich zitiere:
„Forschung, Entwicklung und Analytik wiederverwendbare Laborglasprodukte wie Bechergläser, Erlenmeyerkolben, Messzylinder sowie Laboreinwegartikel wie Reagenzgläser, Pipetten, Chromatografie-Fläschchen und weitere Speziallaborgläser.“
Und offensichtlich lohnt sich das: Das „Adjusted EBITDA“ sprang um 25% von 3,0 auf 3,8 Mio. Euro nach oben. EBITDA ist der Gewinn vor Steuern und Zinsen und Abschreibungen. Große Investitionen hat Gerresheimer AG in diesem Sektor offensichtlich nicht (mehr?) nötig: Die Höhe der Investitionen blieb im Quartalsvergleich unverändert bei 0,2 Mio. Euro.
Die großen Umsatzbringer bei der Gerresheimer AG sind nach wie vor:
- Geschäftsbereich „Plastics & Devices“ mit 168,6 Mio. Euro Umsatz im letzten Quartal (+5,3%)
- Geschäftsbereich „Primary Packaging Glass“ mit 166,8 Mio. Euro Umsatz im letzten Quartal (+5,6%). Dieses Segment beinhaltet das klassische Geschäft mit Primärverpackungen aus Glas
Insgesamt also solide Zahlen. Das Management passte seine Prognose übrigens nach Bekanntgabe der Quartalszahlen nicht an und erwartete deshalb zunächst (dazu weiter unten mehr) einen Umsatzanstieg für das Gesamtjahr von 1-3% (bei konstanten Wechselkursen). Das sieht nach einer konservativen Prognose aus, denn die bisherigen Zahlen haben ein weit höheres Umsatzwachstum gebracht. Allerdings soll es in Bezug auf den US-Markt Fragezeichen geben – einige potenzielle Kunden könnten sich wegen Einschränkungen durch die US-Gesundheitsbehörden zurückhalten. Man wird sehen. Und es gibt auch Neuigkeiten dazu, welche die Planung über den Haufen geworfen haben. Dazu weiter unten mehr.
Den vollständigen Quartalsbericht der Gerresheimer AG finden Sie unter diesem Link im Internet:
Geschäftszahlen Gerresheimer AG
Übernahme von US-Verpackungsuntenehmen beflügelte den Kurs
Der Kurs der Aktie stieg zuletzt stark an. Eine mögliche Begründung dafür: Das Röhrenglasgeschäft wird an das US-Unternehmen Corning verkauft und bringt frische Mittel in die Kasse. Was damit geschehen wird? Da Zukäufe laut Management Priorität haben, setzen einige Anleger auf eine überzeugende Expansion via Übernahmen. Ich bin in Bezug auf Übernehmen generell skeptischer – „organisches Wachstum“ gefällt mir da meist besser. Jedenfalls wurde eine geplante Übernahme bereits vermeldet: Das US-Verpackungsunternehmen Centor soll für 725 Mio. Dollar (ohne Barmittel und Schulden) übernommen werden. Die Ebita-Marge soll dadurch bis 2018 auf 22% steigen (bisher war ein Wert von 20% genannt worden). Das organische Umsatzwachstum von 2016-2018 soll 4-5% pro Jahr betragen.
Ich kenne das Unternehmen noch unter dem Namen „Gerresheimer Glas AG“. So hieß es ab 1959: Da hatte ein US-Unternehmen 50,01% der Aktien des Unternehmen übernommen, welches ab da auch „Gerresheimer Glas AG“ hieß. Vorher hatte es den etwas sperrigen Namen „Actien Gesellschaft der Gerresheimer Glashüttenwerke, vorm. Ferd. Heye, Gerresheim bei Düsseldorf“. 1999 verkaufte die damalige Gerresheimer Glas die namensgebende „Glashütte Gerresheim“. Ab 2003 waren die Aktien von der Börse genommen, 2004 war die Mehrheit der Anteile bei dem US-Investor Blackstone gelandet. 2007 kamen die Aktien dann wieder an die Börse – unter dem kürzeren Namen „Gerresheimer AG“. Seit Ende 2008 sind die Aktien der Gerresheimer AG Mitglied im MDAX.
Mein Fazit: Nach dem Kurssprung recht hoch bewertet!
Der Gewinn pro Aktie lag im letzten Quartal bei 0,65 Euro. Für das gesamte Geschäftsjahr werden Schätzungen im Bereich 3 Euro herumgereicht. Bei einer einfachen Hochrechnung der 0,65 Euro aufs Gesamtjahr ohne Berücksichtigung saisonaler Effekte würde sich ein Wert von 2,60 Euro ergeben. Bei einem Wert von 3 Euro errechnet sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 22,6. Ich finde: Dies und eine Dividendenrendite von gerade einmal rund 1,2% sind keine besonders attraktive Bewertung mehr. Nach dem jüngsten Kurssprung finde ich die Aktie insofern nicht mehr fair, sondern eher etwas zu hoch bewertet. Natürlich heißt das nicht, dass der Kurs auch aufgrund des charttechnischen Momentums nicht noch weiter steigen könnte. Aus fundamentaler Sicht allerdings bin ich skeptisch.
Klarstellung
Und auch hier gilt: Dies ist meine rein subjektive Einschätzung und keine Aufforderung an Sie, diese Aktie zu verkaufen oder zu kaufen. Betrachten Sie meine Zeilen als Gedankenanstoß, nicht mehr und nicht weniger. Es geht um Ihr Geld – verantwortlich dafür sind Sie ganz alleine.