Während ich diese Zeilen schreibe, bricht die RWE-Aktie im deutschen Handel deutlich ein. Im Xetra-Handel heißt es für die RWE Aktie rund 7% Minus, auf knapp 11 Euro. Und im Vormittagshandel war der Aktienkurs sogar auf das bisherige Jahrestief von 10,18 Euro gefallen. Was ist da los? Es ist ja nicht so, als ob nur heute ein besonders schlechter Tag für die RWE-Aktie wäre. Der Titel fällt seit Monaten: Die 1-Monats-Performance liegt bei rund -28,2%, und auf Jahressicht hat der Kurs sogar fast 62% verloren. Damit hat sich der Kurs der RWE-Aktie im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreswert mehr als halbiert. Ich habe mir diesen Titel einmal näher angeschaut. Zu den Details:
- Andritz Aktie kaufen – Deshalb ist der Umsatz des Konzerns so stark im letzten Halbjahr gesunken! – 1. Dezember 2018
- ProSiebenSat.1 Aktie jetzt kaufen – Sinnvolle Anpassungen im Segemnt E-Commerce! – 1. November 2018
- Encavis Aktie kaufen – Alles Details zum lohnenden Geschäft des Unternehmens Solar- und Windparks zu betreiben! – 1. Oktober 2018
- Stora Enso Aktie jetzt kaufen – So rentiert sich die nachhaltige Produktion von Papier! – 1. September 2018
- Dt. Beteiligungs AG Jetzt kaufen – Alle Fakten zu den eher enttäuschenden Halbjahreszahlen des Unternehmens! – 1. August 2018
Es sieht so aus, als ob der Anlass für den heutigen Kurseinbruch bei der RWE-Aktie ein SPIEGEL-Artikel ist. In dem Artikel geht es darum, dass der Bundeswirtschaftsminister prüfen lasse, ob die Rückstellungen der großen Energiekonzerne für den anstehenden Abriss der Atomkraftwerke und die Entsorgung/Lagerung des Atommülls ausreichend sind. Und dem Artikel zufolge sind sie es nicht! So sei bei den Rückstellungen mit teilweise recht hohen Zinseinnahmen gerechnet worden. Wie wir alle wissen, bewegen wir uns aber seit geraumer Zeit in einem Niedrigstzinsumfeld. Und ob sich das so schnell ändern wird, ist offen.
Spiegel Online zufolge kommt das Gutachten bisher zu dem Ergebnis, dass die Rückstellungen der Atomkonzerne bei weitem nicht ausreichen würden. Es würde eine Lücke von bis zu 30 Milliarden Euro bestehen. Die Rückstellungen von derzeit rund 39 Mrd. Euro würden demnach für den eigentlichen Rückbau der Atomkraftwerke ausreichen – doch die Kosten für die Lagerung des radioaktiven Abfalls seien nicht abgedeckt. Und wie wir wissen, strahlt dieser Müll noch lange…
Quelle dazu ist dieser Spiegel-Artikel:
Atomrückstellungen: Energiekonzernen fehlen 30 Milliarden Euro
30 Milliarden Euro Lücke bei den Rückstellungen – kein Wunder, dass da heute viele Anleger(innen) in Bezug auf die RWE-Aktie nervös geworden sind und verkauft haben. Blicken wir einmal auf einen etwas längerfristigen Chart der Aktie:
Chart RWE AG
Quelle: Finanzen100
Mitte 2011 bis Frühling 2015 bewegte sich der Kurs der RWE-Aktie (WKN: 703712) in einer Bandbreite von 20 bis 40 Euro. Seit Herbst 2014 zeigte sich eine fallende Tendenz, und heute war mit einem Kurs von rund 11 Euro der bisherige Tiefpunkt erreicht (wie gesagt: Intraday wurden während ich diese Zeilen schreibe 10,18 Euro erreicht).
Ein gefallener Kurs ist für sich genommen natürlich wenig aussagekräftig. Es kommt darauf an, wie der Kurs in Relation zu den Fundamentaldaten steht. Und deshalb hier der Blick auf die aktuellen Zahlen – ich habe die Halbjahreszahlen (erstes Halbjahr 2015) ausgewählt. Hier der Blick auf diese Daten:
Eckdaten Halbjahreszahlen 2015 der RWE AG
- Der Umsatz lag im ersten Halbjahr 2015 bei 25,138 Mrd. Euro. Im Vorjahreszeitraum waren es 25,087 Mrd. Euro. Entsprechend errechnet sich ein leichtes Plus von 0,2%. „Stagnation“ trifft es wohl am besten.
- Die Investitionen lagen bei 1,172 Mrd. Euro. Im Vorjahreszeitraum waren es 1,489 Mrd. Euro, mithin ein Rückgang um 21,3%. Die Investitionen in Sachanlagen sanken sogar um 31%, während die Investitionen in Finanzanlagen stiegen.
- Der Cash Flow aus laufender Geschäftstätigkeit fortgeführter Aktivitäten lag im ersten Halbjahr 2015 bei 664 Mio. Euro. Das war nur rund ein Drittel des entsprechenden Vorjahreswertes (1,977 Mrd. Euro).
- Das bereinigte Nettoergebnis je Aktie lag im ersten Halbjahr 2015 bei 0,88 Euro. Auch das ein Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 1,22 Euro (-27,9%).
Quelle: Firmenangaben, Meldung: „BERICHT ÜBER DAS ERSTE HALBJAHR 2015“
RWE – das ist einer der großen Energieversorgungskonzerne Europas, Sie wissen es. In Deutschland ist RWE (gemessen am Umsatz) die Nummer 2. Lange Jahre stand RWE für die „konventionelle Stromerzeugung“, Kohle und Atomenergie wurden bevorzugt. Ab 2012 begann sich das zu ändern. Das ist zu einem Teil auch dem neuen Vorstandsvorsitzenden von RWE Peter Terium zu verdanken. Ich schreibe bewusst „verdanken“, denn ich persönlich bin kein Freund der Atomenergie. RWE beschloss (analog zur Energiewende in Deutschland), das Geschäft mit der Atomenergie aufzugeben. Das galt auch für entsprechende Aktivitäten im Ausland, die verkauft/eingestellt wurden. Entsprechend sollte auch verstärkt in Erneuerbare Energien investiert werden.
Doch damit saß RWE sozusagen zwischen allen Stühlen. Denn die Investitionen von RWE in den Bereich Erneuerbare Energien waren sozusagen glücklos und brachten Milliardenverluste. Ein Beispiel: Die Beteiligung am Großprojekt Desertec steht in den Sternen. RWE hatte eben keine ausreichenden Erfahrungen im Bereich Erneuerbare Energien, und die befohlene Kehrtwende brachte in dem Sektor noch keine Gewinne.
Mit anderen Worten: Atomenergie fällt weg, Erneuerbare Energien sind noch kein Gewinnbringer bei RWE, und mit den Kohlekraftwerken lässt sich weniger Geld verdienen. Keine gute Kombination.
Entsprechend ist es auch gerechtfertigt gewesen, dass der RWE Aktienkurs gesunken ist. Die Frage ist nur, ob jetzt übertrieben worden ist – und zwar nach unten. Denn trotz der genannten Probleme erwirtschaftet RWE ja noch Gewinne. Oben hatte ich den Cash Flow im ersten Halbjahr genannt: Das waren immerhin 664 Mio. Euro. Und das war der Cash Flow aus laufender Geschäftstätigkeit – mithin könnte der Wert im zweiten Halbjahr ähnlich hoch sein.
Falls dieser Wert auch im zweiten Halbjahr erreicht werden kann, dann wäre auch ein Gewinn pro Aktie von 0,88 Euro drin. Das ist realistisch, denn das Management selbst gab zusammen mit den Halbjahreszahlen eine Prognose für das Gesamtjahr 2015 ab. Demzufolge soll das bereinigte Nettoergebnis von RWE im Gesamtjahr 2015 den Betrag von 1,1 bis 1,3 Mrd. Euro erreichen.
Kurs-Gewinn-Verhältnis bei RWE
Auf Basis der Zahlen zum ersten Halbjahr würde das für das Gesamtjahr einem Gewinn pro Aktie von 1,76 Euro entsprechen. Bei einem aktuellen Kurs von rund 11 würde dies einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2015 von gerade einmal 6,3 entsprechen. Für einen Konzern dieser Größenordnung ist dies sicherlich billig = günstige Bewertung.
Die Frage ist natürlich, ob dieser Gewinn pro Aktie auch im nächsten Geschäftsjahr gehalten werden kann. Falls ja, dann wäre die Aktie auf aktuellem Niveau durchaus günstig bewertet. Falls nein, dann ist es eben fraglich…
Fragezeichen gibt es einige. Auch bei der Höhe der Dividendenzahlung, die es für 2015 geben wird. Eine Kürzung der Dividende ist angesichts der geschilderten Ertragslage sicherlich zu erwarten. Am Markt werden Schätzungen von 0,50 Euro Dividende je Aktie herumgereicht. Das wäre aber immer noch eine schöne Dividendenrendite von gut 4,5%.
Kurs-Umsatz-Verhältnis bei RWE
Zum Kurs-Umsatz-Verhältnis von RWE: Bei 614.745.000 Mio. Aktien errechnet sich aktuell eine Marktkapitalisierung von rund 7,16 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr erzielte das Unternehmen Umsätze von 25,138 Mrd. Euro. Wenn es im Gesamtjahr rund 50 Mrd. Euro werden sollten, errechnet sich ein günstiges Kurs-Umsatzverhältnis von lediglich 0,15.
Mein Fazit: Günstige Bewertung – doch Fragezeichen!
Diese konventionellen Kennzahlen sprechen für eine durchaus günstige Bewertung. Wo sonst können Sie einen „Blue Chip“ mit KGV 6,3, Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,15 und 4,5% Dividendenrendite kaufen? Doch RWE hat noch nicht bewiesen, dass es mit den neuen Geschäftsfeldern erfolgreich sein kann. Für Anleger ein gewisses Dilemma: Wenn man Erfolgsmeldungen abwartet, würde der Kurs dann sehr wahrscheinlich höher stehen, wenn wirklich Erfolgsmeldungen kommen werden. Und wenn diese ausbleiben – dann kann es noch weiter abwärts gehen. Keine einfache Situation – und ich persönlich handle im Zweifel lieber nicht. Auf die Watchlist mit RWE heißt es bei mir.
Klarstellung
Und auch hier gilt: Dies ist meine rein subjektive Einschätzung und keine Aufforderung an Sie, diese Aktie zu verkaufen oder zu kaufen. Betrachten Sie meine Zeilen als Gedankenanstoß, nicht mehr und nicht weniger. Es geht um Ihr Geld – verantwortlich dafür sind Sie ganz alleine.